Berufsunfähigkeit: Die konkrete und abstrakte Verweisung

Die finanzielle Absicherung für den Fall einer Berufsunfähigkeit ist fast für alle Berufsgruppen sehr wichtig. Dabei Wahl des Angebot sollte geprüft werden, ob eine konkrete oder abstrakte Verweisung Bestandteil der Versicherungsvertrages ist. Dieser Vertragsbestandteil ist entscheident, wenn es um den Leistungsanspruch geht.

Immer wieder begegnet man im Rahmen der Berufsunfähigkeitsversicherung dem Begriff der „Verweisung“. Dabei handelt es sich um den Verweis durch den Versicherer auf die Möglichkeit einer Berufstätigkeit des Versicherten in einem anderen Beruf. Dieser Punkt ist sehr entscheidend, wenn es um die Prüfung geht, ob bei der versicherten Person eine Bezugsberechtigung für die vereinbarten Leistungen besteht.

Differenziert wird zwischen abstrakter und konkreter Verweisung, die nur dann zur Anwendung kommen, wenn sie Bestandteil des Vertrages sind.

Die konkrete Verweisung

Tritt bei einer versicherten Person eine nachgewiesene Berufsunfähigkeit ein, muss ein Versicherer, bei dem die Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen wurde, die vertraglich vereinbarte Leistung erbringen. Vorausgesetzt, dass die Klausel der konkreten Verweisung kein Vertragsbestandteil ist. Ist dies der Fall, hat der Versicherer das Recht auf die Prüfung einer anderen beruflichen Tätigkeit für den Versicherten und auf den Verweis darauf.

Für diesen Verweis muss sich der Versicherer an konkrete Vorgaben halten. Dies bedeutet, dass die berufliche Tätigkeit, auf die verwiesen wird, bestimmte Voraussetzungen erfüllen muss. Sie muss der versicherten berufsunfähigen Person eine vergleichbar soziale Stellung bieten und den Fähigkeiten und Kenntnissen des Versicherten entsprechen. Das Einkommen darf maximal um 25% gemindert sein. Übt der Versicherte bei Eintritt in die Berufsunfähigkeit aus eigener Initiative eine solche Tätigkeit aus, kann der Versicherer darauf verweisen und es liegt keine Leistungsanspruch vor. Damit erlischt der Leistungsanspruch zum Zeitpunkt der Aufnahme des Arbeitsverhältnisses.

Wird aufgrund der Berufsunfähigkeit eine Tätigkeit angenommen, die keine vergleichbare soziale Stellung bietet, niedrigere Anforderungen an die Fähigkeiten erfordert und finanziell schlechter entlohnt wird, ist ein Verweis durch den Versicherer nicht zulässig. Der Leistungsanspruch des Versicherten bleibt aufrecht und wird zusätzlich zum Einkommen ausbezahlt.

Ein Verweis des Versicherers auf Tätigkeiten, für die der Versicherte eine zusätzliche Aus- und Weiterbildung absolvieren müsste, ist unzulässig.

Beispiel

Als Beispiel dient eine Versicherungsnehmerin, die über mehrere Jahre als Assistentin der Geschäftsführung eines Konzerns gearbeitet hat und aufgrund zu hoher Stressbelastung berufsunfähig wurde. Verweist die Versicherung auf eine Tätigkeit als Verkäuferin im Einzelhandel, muss diese nicht angenommen werden, da diese Tätigkeit den Fähigkeiten und Erfahrungen sowie der sozialen Stellung nicht entspricht. Die Entlohnung liegt mit höchster Wahrscheinlichkeit 50% unterhalb des bisher erhaltenen Gehaltes. Auf die Tätigkeit einer Arzthelferin darf nicht verwiesen werden, da in diesem Fall eine Ausbildung absolviert werden müsste. Der Versicherer darf jedoch auf die Tätigkeit in einem Sekretariat außerhalb der Geschäftsführung verweisen. In diesem Fall nimmt die Versicherte eine ähnliche soziale Stellung ein. Die Anforderungen an die Fähigkeiten sind ähnlich denen der vorhergehenden Position.

Die abstrakte Verweisung

In neueren Verträgen ist die abstrakte Verweisung nur mehr selten zu finden, sondern vorwiegend in älteren Verträgen. Trotzdem sollte bei Vertragsabschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung darauf geachtet werden.

Wird ein Versicherter in seinem alten Beruf berufsunfähig, kann er durch den Versicherer auf eine andere Tätigkeit verwiesen werden, die er aufgrund der gesundheitlichen Situation ausüben könnte. Dabei stellt der Versicherer fest, dass es grundsätzlich noch Tätigkeiten und Berufe gibt, die der Versicherte ausüben könnte und die seinem Können und Wissen entsprechen. Unabhängig davon, ob diese Tätigkeit vom Arbeitsmarkt angeboten wird. Der Versicherte muss aufgrund seiner Berufsunfähigkeit einen Berufswechsel durchführen. Zu beachten ist jedoch, dass der Verweis durch den Versicherer nur dann gültig ist, wenn er wirklich den Fähigkeiten entspricht und das Einkommen nicht wesentlich geringer ist als das Einkommen während der zuvor ausgeübten Tätigkeit.

Beispiel

Ein Beispiel für eine abstrakte Verweisung ist der Chirurg, der im Zuge eines Unfalls einen Finger verliert. Dadurch ist ein Beruf als Chirurg nicht mehr möglich. Der Versicherer wird jedoch auf Berufe wie ärztlicher Berater oder praktischer Arzt verweisen, da diese Berufe ausübbar sind. Das Risiko der beruflichen Umorientierung trägt der Versicherte, ohne Leistung vom Versicherer zu erhalten.

Die Praxis

Der optimale Fall für den Versicherungsnehmer wäre ein vollständiger Verzicht auf eine konkrete oder abstrakte Verweisung im Versicherungsvertrag. Leider ist das in der Praxis kaum möglich. Ein vollständiger Verzicht würde für den Versicherer bedeuten, dass die Leistungspflicht auch dann eintritt, wenn der Versicherte eine berufliche Tätigkeit ausübt, die eine existenzsichernde Leistung nicht erfordert. Aus diesem Grund wird die konkrete Verweisung so gut wie immer Bestandteil eines Versicherungsvertrages sein. Diese Vertragsvereinbarung stellt einen fairen Zustand zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer her. Zum Teil werden zwar Verträge angeboten, die auch auf die konkrete Verweisung verzichten. In diesen Fällen ist die Versicherungsprämie jedoch entsprechend hoch.

Wird ein Vertrag zur Berufsunfähigkeit vorgelegt, der die Klausel zur abstrakten Verweisung enthält, sollte in diesem Fall unbedingt auf einen Abschluss verzichtet werden. Diese Vertragsvereinbarung stellt einen klaren Nachteil für den Versicherten dar.